Wer Gewinne macht, zahlt Steuern. Im Idealfall passen Gewinne und Steuern zusammen: Wer hohe Gewinne macht, zahlt viele Steuern, und wer niedrige Gewinne macht, zahlt wenig.
Schwierig ist es oft, wenn Gewinne und Steuern zeitlich auseinanderfallen. Das Finanzamt setzt Steuervorauszahlungen fest, ohne den aktuellen Gewinn zu kennen, und erst ein oder zwei Jahre später kann es die Steuererklärung bearbeiten und eine Nachzahlung verlangen. Das ist unangenehm, wenn die Nachzahlung unvorhergesehen eine Lücke in die Liquidität reißt.
Ärgerlich wird es, wenn das Finanzamt zur Nachzahlung auch noch Zinsen festsetzt. Wäre es nicht gut, zu einem planbaren Zeitpunkt die Nachzahlung zu leisten und die Zinsen zu vermeiden?
Frühzeitige Anpassung von Vorauszahlungen
Eine Möglichkeit ist, das Finanzamt frühzeitig über die aktuellen Gewinnerwartungen zu informieren. Wer jährlich unterschiedliche Gewinne erwirtschaftet, kann dem Finanzamt im laufenden Jahr den erwarteten Gewinn mitteilen und eine Anpassung der vierteljährlichen Vorauszahlungen veranlassen.
Ganz genau geht das im laufenden Jahr natürlich nicht. Wer den Gewinn nicht präzise genug schätzen kann, will vielleicht den Jahreswechsel abwarten und zu Beginn des Folgejahres eine überschlägige Berechnung der Steuer vornehmen. Das Finanzamt wird dann die Vorauszahlungen nachträglich anpassen.
Der Gewinn in Bernd Müllers Einzelunternehmen hat sich 2022 gut entwickelt. Bernd Müller bekommt am 10. Februar 2023 eine Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) von seinem Steuerberater und schickt sie ans Finanzamt. Das Finanzamt setzt Ende Februar 2023 eine nachträgliche Vorauszahlung fest, die Ende März 2023 fällig wird. Mit dem abschließenden Steuerbescheid für 2022 ist dann keine nennenswerte Nachzahlung oder Erstattung zu erwarten. Bernd Müller kann im März 2023 mit der Vergangenheit gedanklich abschließen und sich der Zukunft widmen.
Nachzahlungen hinauszögern
Auch Michael Schmidt bekommt am 10. Februar 2023 eine Betriebswirtschaftliche Auswertung (BWA) von seinem Steuerberater, und eine grobe Vorausberechnung der Steuernachzahlung. Hohe Beträge! So viel Geld hat Michael Schmidt nicht beiseite gelegt. Das will er nicht sofort bezahlen, sondern ansparen und erst später ans Finanzamt überweisen.
Das Finanzamt ist geduldig. Wer den Gewinn nicht sofort melden möchte, muss das nicht tun. Erst in der Steuererklärung für 2022 muss der Gewinn vollständig gemeldet werden, dafür hat der Steuerberater bis zum 31. Juli 2024 Zeit. Und dann gehen noch Wochen, Monate oder Jahre ins Land, bis das Finanzamt die Steuererklärung bearbeitet.
Zinsen
Allerdings muss Herr Schmidt mit Zinsen rechnen. Im September 2024 beginnt der Zinslauf, 1,8 % jährlich, 0,15 % pro Monat. Sogar dann, wenn das Finanzamt trödelt: Denn diese Zinsen sind keine Strafe, sondern Ausgleich dafür, dass Herr Schmidt sein Geld zu 1,8 % bei der Bank anlegen kann oder an anderer Stelle 1,8 % Kreditzinsen spart. Der Kapitalmarkt mag mal höhere, mal niedrigere Zinssätze aufrufen, aber der Gesetzgeber legt hier eine Zahl einfach fest.
Nachzahlungszinsen vermeiden
Wie lassen sich diese Nachzahlungszinsen vermeiden? Wer anderweitig keine 1,8 % verdienen kann oder nun doch endlich gedanklich mit der steuerlichen Vergangenheit abschließen möchte, darf die Nachzahlung jederzeit ans Finanzamt überweisen.
Nachträgliche Vorauszahlungen
Das Finanzamt kann noch bis zum 30. August 2024 nachträgliche Vorauszahlungen festsetzen.
Herr Schmidt schickt am 23. August 2024 einen Antrag ans Finanzamt, dass es nun nachträgliche Vorauszahlungen für 2022 anfordern möge. Das Finanzamt bearbeitet den Antrag und verschickt am 30. August einen Bescheid. Die Zahlung wird am 2. Oktober 2024 fällig, ohne Zinsen.
Freiwillige Zahlungen
Ab dem 2. September 2024 darf das Finanzamt keine nachträgliche Vorauszahlungen mehr für 2022 festsetzen. Ab dann sollen nur noch abschließende Steuerbescheide für 2022 ergehen.
War der Antrag von Herrn Schmidt schon zu spät? Wenn das Finanzamt ihn nicht mehr rechtzeitig im August bearbeiten konnte, muss es ihn ablehnen. Aber auch ohne Zahlungsaufforderung darf ein Steuerpflichtiger Abschlagszahlungen ans Finanzamt leisten.
Herr Schmidt schickt am 23. August 2024 einen Antrag ans Finanzamt, dass es nun nachträgliche Vorauszahlungen für 2022 anfordern möge. Das Finanzamt lehnt den Antrag am 10. September als verspätet ab. Herr Schmidt überweist den selbst berechneten Nachzahlungsbetrag trotzdem, am 15. September 2024.
Das Finanzamt wird irgendwann die Steuererklärung abschließend bearbeiten und zunächst eine Nachzahlung mit Nachzahlungszinsen ausrechnen. Die Abschlagszahlung berücksichtigt es erst in einem späteren Schritt, in einer anderen Abteilung. Die Abteilung „Erhebungsstelle“ wird die Nachzahlung mit der Abschlagszahlung verrechnen. Außerdem muss das Finanzamt die Nachzahlungszinsen teilweise erlassen. Das ergab sich schon früher aus Abschnitt 70 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung und ist seit 2022 in § 233a Absatz 8 der Abgabenordnung gesetzlich festgeschrieben.
Fallstricke
Ein kleiner Rest Zinsen bleibt für Herrn Schmidt vermutlich zu zahlen. Die Nachzahlungszinsen werden für volle Monate berechnet, der Erlass wird auch für volle Monate berechnet, allerdings erst ab dem Zahlungszeitpunkt. Überschneidungen führen dazu, dass Zinsen für einen ganzen Monat nicht erlassen werden. Um auf der sicheren Seite zu sein, muss die Zahlung noch im August 2024 beim Finanzamt eingehen.
Manchmal ist das Finanzamt damit überfordert, die Zahlung als Abschlagszahlung auf erwartete Steuernachzahlungen einzuordnen, selbst wenn man die Abschlagszahlung als solche ankündigt. Es kommt vor, dass das Finanzamt den Betrag dann einfach zurücküberweist. Hier genügt es nicht, dem Finanzamt zu erklären, was es tun soll. Man muss zusätzlich die Überweisung ein zweites Mal ausführen – so jedenfalls die Auffassung der Finanzverwaltung in Abschnitt 70.1.3. des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung.
Auf einen wesentlichen Unterschied zwischen nachträglicher Vorauszahlung und Abschlagszahlung will ich abschließend aufmerksam machen. Die nachträgliche Vorauszahlung wird zugunsten des Steuerpflichtigen verzinst, wenn sich bei der abschließenden Steuerfestsetzung oder durch spätere Änderungen eine Erstattung ergibt. Dann gibt es Erstattungszinsen zusätzlich zur Erstattung. Die Abschlagszahlung wird nicht verzinst. Sie kann Nachzahlungszinsen beseitigen, aber keine Erstattungszinsen begründen. Empfehlenswert ist es deswegen, beim Finanzamt rechtzeitig auf passende Steuervorauszahlungen zu drängen, wenn man das Geld nicht anderweitig besser verzinst bekommt.
Und nächstes Jahr?
Der Gesetzgeber verschiebt die Fristen von Jahr zu Jahr. Die Steuererklärungen für 2023 sind durch Steuerberater bis Ende Mai 2025 einzureichen, der Stichtag für nachträgliche Vorauszahlungen und Zinsen ist dann der 30. Juni 2025. Für das Jahr 2024 wird Stichtag der 31. Mai 2026 sein.